Montag, 14. Mai 2012

Die Kunst, mit Kommunikationsstrategien zu überzeugen


Wenn Kommunikationsagenturen Einfluss auf die öffentliche Meinung ausüben

von Myra Wiederholz

Die Dunkelheit macht sich breit, ein kalter Wind bläst durch mein Redaktionszimmer und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Die Angst steht mir förmlich ins Gesicht geschrieben und im inneren meines Körpers wird eine Massenpanik ausgelöst. Grund für meine aufsteigende Furcht ist die Zusammenkunft mit dem Geschäftsführer der Rosam Change Communications GmbH. Wolfgang Martin Rosam (kurz: Wolfgang Rosam) ist nicht irgendein PR-Experte oder Lobbyist in Österreich - er ist die Koryphäe der beiden Formen der Interessenvertretung und der Spezialist, dieses Image akribisch zu wahren.
Auf 12 Uhr ist der Termin angesetzt und wie ich vermute, wird es sich der Herr nicht nehmen lassen, außerordentlich pünktlich zu erscheinen. Noch drei Minuten.

Es ist nun 11.58 Uhr und die Redaktionstür öffnet sich wie die Zauberkugel der Miniplaybackshow. Zunächst vom inexistenten Nebelrauch erschlagen, löst sich allmählich der Dunst aus meinem Blickfeld und der Star der heutigen Show betritt den Raum. Mit seinem Gel im Haar könnte er der gesamten Besetzung „Grease“ Konkurrenz machen. „Bin ich zu früh?“ – „Ach Unsinn, wie kommen Sie denn darauf? Sie, der selbsternannte Jetsetter und PR-Guru, haben doch eine lederbesetzte Breitling-Uhr am linken Armgelenk und wissen somit ganz genau, wie spät es ist. Wie könnte ich Ihnen also unterstellen, eventuell zwei Minuten zu früh zu sein?“ Stattdessen setze ich mein freundliches 08/15-Lächeln auf und spüre wie der Satz „Nein, Sie sind angenehm pünktlich“  über meine Lippen geht. „Angenehm pünktlich?“ – Hervorragend Wiederholz, nächstes Mal solltest du an deiner Wortwahl arbeiten. Wie auch immer. „Es wird Sie doch nicht stören, Frau Wiederholz, wenn mein Kollege Dietmar Ecker demnächst dazu stoßen wird?“ – „Fantastisch, das Äquivalent zu Ihnen. Dietmar Ecker - der  ehemalige Politikberater der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), der Medienberater von Natascha Kampusch („Handel mit Emotionen“ – wie gewinnt man sonst die Herzen der Zuschauer?) und Ihr Geschäftspartner bei Leading Advisors Group (Lead). Zwei leicht narzisstisch angehauchte Herrschaften, die sich das Reich der Gesellschaftsanteile der erfolgreichsten Kommunikationsagenturen Österreichs teilen, an einem Tisch? Bei einem 20-minütigen Interview? Traum.“ „Überhaupt kein Problem. Es ist mir eine Ehre, ein weiteres Mitglied des Lead-Unternehmens kennenzulernen“, bringe ich gekonnt hervor.

Herr Ecker lässt nur vier Minuten auf sich warten und selbst sein Auftritt ähnelt dem eines Superstars. Nur noch 16 Minuten Interview. „Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich das Gespräch aufzeichne (da ich befürchte, die Hälfte des Gespräches nicht zu verfolgen und meine Synapsen im Gehirn „Krieg der Sterne“ spielen zu lassen)?“ Beide gewähren mir meinen Wunsch und wir schreiten unentwegt zur Tat über. In unserem Interview geht es um die Führung ihrer Unternehmen und vor allem ihres erst 2009 gegründeten Unternehmens Leading Advisors Group (Lead), das Kommunikationsagenturen aus den Branchen PR, Lobbying, Marktforschung, Coaching, Strategieberatung und den sogenannten Public Affairs vereint. Mit der Gründung von der Leading Advisors Group ist eine Nische gefüllt worden, die es auf dem österreichischen Markt bis dato so nicht gegeben hat. Der Zusammenschluss mehrerer Kommunikationsdienstleistungen führt zu einer möglichen Machtkonzentration innerhalb Österreichs. Neu ist eben auch die aktive Nutzung der Markt- und Meinungsforschung als Instrument des Lobbying und der PR. Während des ganzen Interviews kommt ihr allgemeiner  Selbstzentrismus genauso wenig zum Vorschein wie meine Vorliebe für gedanklichen Sarkasmus.

Aber was ist Lobbyismus und Public Relation überhaupt?


„Lobbyismus“ wird in der Presse negativ behandelt, da Lobbyisten und Interessengruppen dem Gemeinwohl (der Öffentlichkeit) widersprechen. Der Begriff wird nicht nur mit heimlicher Macht und illegitimen Interessen in Verbindung gebracht, sondern steht unter Verdacht, Korruption und Patronage zu betreiben (Vgl. Lösche, 2007: 9). Wie kann man nur so etwas bei Ländern wie Österreich oder Deutschland vermuten? Dabei ist doch „Lobbyismus elementares, legitimes Mittel einer Demokratie“ (Lösche, 2007: 20).
Vertreter der Lobbyismus-Gesellschaft „richten sich also primär ‚an den Staat’, an Mitglieder der Legislative und Exekutive sowie an deren Mitarbeiter auf allen Ebenen des politischen Systems“ (Lösche, 2007: 20). Das Betreiben von „Lobbying findet immer situativ, in einem bestimmten ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Kontext zu einem konkreten Zeitpunkt statt“ (Lösche, 2007: 21).

Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relation wird häufig als Synonym für Lobbyismus verwendet. Dabei widmet sie sich nicht nur der Politik, sondern der allgemeinen „Selbstdarstellung partikulärer Interessen durch Information, wobei als Mittel alle Techniken und Formen schriftlicher, mündlicher, fotografischer, filmischer und audiovisueller
Publizistik sowie interpersonaler Kommunikation denkbar sind“ (Burkart, 2002: 292). Sie zielt darauf ab, „die Öffentlichkeit bzw. relevante Gruppen (sog. ‚Teilöffentlichkeiten’) durch die Darstellung der eigenen Interessen zu beeinflussen, um diese letztlich irgendwann durchsetzen zu können“ (Burkart, 2002: 292). Kurz: Die synonyme Verwendung ist gerechtfertigt.

Lobbyismus und Public Relation werden aufgrund ihrer Aufgaben/Schwerpunkte als fünfte Großmacht, neben der Legislative, der Exekutive und Judikative sowie der Presse und den Medien gleichsam, etabliert (Vgl. Lösche, 2007: 10)
„Die Macht dieser fünften Gewalt wird weiter wachsen, weil in komplexen Situationen alle Akteure im Entscheidungsprozess strukturell überfordert sind. Die Unternehmen suchen genauso nach neuer Übersicht, wie diejenigen politischen Akteure, die immer neue Ausdifferenzierungen von Regelwerken und „Zumutungen“ ihrer Bürokratie bewältigen müssen“ (Leif/Speth, 2006: 16).
Ronneberger hält die Public Relation und den Lobbyismus für eine durchaus brauchbare Sache, die allerdings unter einem schlechten Ruf leiden (Vgl. Ronneberger/Rühl, 1992: 9) und in der Presse maßlos übertrieben dargestellt werden (Vgl. Lösche, 2007: 10).

Wie Ronneberger bin ich auch der Ansicht (wie sollte es auch anders sein?), dass Lobbying und PR notwendig für unsere Gesellschaft ist und sich auch in Zukunft enorm expandieren wird. Was allerdings zu denken gibt, ist die Schaffung eines Monopols seitens der Kommunikationsberater Rosam und Ecker. Sie sind nicht nur Gesellschafter ihrer eigenen Kommunikationsfirmen, sondern auch von anderen bedeutenden Kommunikationsagenturen. Der Wettbewerb in einem so kleinen Land wie Österreich muss weiterhin gewährleistet sein und gefördert werden. Die Begriffe PR und Lobbying werden in der Öffentlichkeit bereits verteufelt, sind mit negativen Attributen besetzt und dürfen durch Selbstdarsteller wie Wolfgang Rosam nicht noch mehr in den Dreck gezogen werden. Man muss sich dennoch eingestehen: Wolfgang Rosam und Dietmar Ecker beherrschen nun einmal die Kunst, mit Kommunikationsstrategien zu überzeugen. Nur stellt sich die Frage, ob bei ihnen „Überzeugung“ ein Euphemismus für „Manipulation“ ist?


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