Sonntag, 20. Mai 2012

Die Kunst einer Gruppenarbeit – Wenn die Geduld auf die Probe gestellt wird

von Myra Wiederholz

Im Tutorium zum Thema „Allmacht oder Ohnmacht der Medien“ kam erneut mein größter Feind zum Vorschein: Die Ungeduld. In der ersten Stunde des Tutoriums verbarg sich die Ungeduld noch im Hintergrund, um mir nicht jeglichen Spaß meiner studentischen Laufbahn zu nehmen. Doch das sollte sich im Verlauf der Wochen ändern. Ihr ist es nicht im Traum eingefallen, schleichend zu mir zu kommen, wie es der Tod normalerweise präferieren würde, sondern in einem Tempo, das selbst der Formel 1 Rennfahrer Sebastian Vettel nicht hätte einholen können. Als in der zweiten Stunde die ersten Sätze unterbrochen worden sind und einige Wortbeiträge meiner Mitstreiter kein Ende nahmen, wurde das erste Streichholz gezündet. Meine Hoffnung, es würde bei einer kleinen Flamme bleiben, wurde durch das Wort „Gruppenpräsentation“ zunichte gemacht. Die Teilnehmer wurden beauftragt, Präsentationen zu den Themen „Medienethik“, „Medienkompetenz“, „Wirklichkeitskonstruktionen“ und zu weiteren Formen von Medien zu erstellen. 

Für den einzelnen Krieger wäre diese Schlacht schnell gewonnen, für ein Heer dagegen scheint dieser Weg ausweglos und überschattet mit unüberbrückbaren Differenzen zu sein. Es wurden Menschen unterschiedlicher Fähigkeiten zusammengetrommelt, um die Aufgabe einer göttlichen Präsentation gerecht zu werden. Durch eine ausgeklügelte Methode hätten wir der Präsentation entgegentreten sollen, aber die Göttin Athene verweigerte uns die Geschicklichkeit. 


Als ob ich nicht mit meinem Erzgegner „Ungeduld“ schon genug gestraft worden wäre, traten mir zwei neue Feinde gegenüber: „Konflikt“ und „Zeitdruck“. Die beiden stellten sich als äußerst störrisch heraus und erstreckten sich wie eine Art Mauer vor mir. Anfänglich fühlte ich mich wie Batman ohne Robin oder Superman ohne Fähigkeiten, zumindest wie eine Person, die das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr erreichen wird. Aus Angst vor einem weiteren Urknall rauften wir uns als Kompagnons zusammen und versuchten den Feinden im Kampf der Titanen Widerstand zu leisten. Nach langem Zerren, fortlaufenden Wutausbrüchen, durch Teamwork und gegenseitige Unterstützung entschieden wir am Ende den Kampf für uns.

Doch wie sinnvoll ist Gruppenarbeit wirklich? Vor- und Nachteile des gruppenorientierten Arbeitens

 

Der Begriff Gruppenarbeit wird als die Summe aller sachbezogenen und koordinierenden Tätigkeiten definiert, welche von Gruppenmitgliedern ausgeführt werden, um zielbezogene Aufgaben zu erfüllen und somit Gruppenziele zu erreichen (Bürger, 1999: 22). Es ist anzumerken, „dass die Ziele der Gruppenmitglieder nicht übereinstimmen müssen, obwohl es im Regelfall eine Überlappung der Ziele geben wird (Bürger, 1999: 22).

Vorteile einer Gruppenarbeit
Nachteile einer Gruppenarbeit
Das Kollektive Wissen einer Gruppe ist größer als das Wissen eines Einzelnen
Eine Gruppe benötigt mehr Zeit, um zu einem Ergebnis zu gelangen
Eine Idee wird besser akzeptiert, wenn die involvierten Personen an der Ideenfindung beteiligt waren
Teilnehmende können sich gehemmt fühlen, Ideen zu äußern
Die Gruppe deckt ein breiteres Suchfeld ab
Gruppendruck verhindert ungewöhnliche Denkansätze
Risiken werden in der Gruppe fundierter bewertet
Vorgesetzte oder starke Persönlichkeiten können die Gruppe dominieren
Bei Weiterentwicklungen von Ideen fällt das Gruppenergebnis besser aus
Wirklich innovative Ideen werden oft abgeschwächt oder versinken in einem Kompromiss
Quelle: Scherer, Jiri (2007). Kreativitätstechniken. In 10 Schritten Ideen finden, bewerten, umsetzen. S. 18

Eine geläufige Technik einer Gruppenarbeit ist das sogenannte Brainstorming. In einem Brainstorming werden die Teilnehmer gebeten, in kürzester Zeit möglichst viele Ideen niederzuschreiben bzw. zu entwickeln. Der Erfinder des Brainstormings Alex Osborne hoffte, dass durch das Verbot jeglicher Art von Kritik während der Ideenfindungsphase die kreativen Kräfte freigesetzt werden, was trotz entsprechender Instruktionen nicht gelang. Laut der Bewertungsangsthypothese werden aus Angst vor Bewertung kreative und ungewöhnliche Ideen unterdrückt. 

Bei einer Vielzahl von Untersuchungen ist festgestellt worden, dass in Brainstorming-Gruppen viel weniger und auch weniger gute Ideen erzeugt werden als individuell.  In den frühen Untersuchungen identifizierten die Sozialpsychologen Michael Diehl und Wolfgang Stroebe Produktionsblockierung als Hauptursache. Die Produktionsblockierung ist eine „Verringerung der individuellen Produktivität und Kreativität beim Hervorbringen von Ideen; dies ist darauf zurückzuführen, dass sich Personen in interaktiven Brainstormingsitzungen gegenseitig unterbrechen und beim Reden abwechseln“ (Stroebe/Jonas/Hewstone, 2002: 518).

Meiner Ansicht nach ist Gruppenarbeit in Berufen nur dann sinnvoll, wenn Mitglieder unterschiedlicher (Arbeits-) Bereiche in einer Gruppe involviert sind und es zu effizienten und effektiven Lösungsansätzen kommt. Ansonsten ist Gruppenarbeit, zumindest im Studium „waste of time“, da sich manche Mitglieder innerhalb einer Gruppe kaum bis gar nicht engagieren oder motivieren können. Kurz: „Einer wird es schon machen“, die Gruppe wird eh gemeinsam bewertet und niemand kann angeschwärzt werden. Darüber hinaus kann im Studium keiner aus der Gruppe „entlassen“ bzw. „verbannt“ werden, da es ein unsoziales sowie ineffizientes Gruppenverhalten ist. 

Warum behandeln wir im Studium also das Thema „Gruppenarbeit“, wenn es im Gegensatz zum Beruf keine Konsequenzen für die Nicht-Mitarbeit gibt?

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